Aus dem Leben eines WRTC Site Managers
Von Rudolf Schwenger, DJ3WE
lch habe viele Jahre in Singapur gelebt. Dort - 100 km nördlich des Aquators - sind
32"C und 98% rel. Luftfeuchte selbst an Weihnachten gelebter, aber wahrlich nicht
geliebter Alltag. Damals hatte ich nicht einmal eine Klimaanlage im Auto.
Es ist heiß
Wie immer bin ich mit den Vorbereitungen etwas spät dran. Es ist Donnerstag.
Endlich, um 10:30 ist die EXCEL-Packliste abgearbeitet, d.h. das Auto bis kurz unter
die Dachkante vollgeladen und ich voll durchgeschwitzt. Draußen herrschen genau
die 32", die ich so leidvoll aus Singapur kenne. lch freue mich auf die Klimaanlage im
Untertürkheimer, bin aber im Hinblick auf das Zusammentreffen am Campingplatz in
Prettin so rücksichtsvoll, zunächst noch einmal in der Dusche zu verschwinden.
Die Mercedes-Leute kennen ihre Pappenheimer und wissen, dass extreme
Temperaturunterschiede ihrer Klientel nicht unbedingt zuträglich sind. Sie kühlen das
Auto also sachte ab. Vielleicht sind deren Kühlaggregate aber auch einfach nur zu
schwach. lch weiß es nicht, bemühe mich aber um positives Denken. Wenn ich da
an die Klimaanlagen in amerikanischen Mietautos denke: Da kommen weißer Dampf
und markante Lüftergeräusche aus den Airconditionern, kaum dass man den Motor
gestartet hat. lch habe nie verstanden, wie die Nieren der Amerikaner das aushalten.
Als ich nach rund 30 Minuten auf die Münchner Ostumgehungsautobahn auffahre,
treffe ich auf den ersten Megastau. Die A99 wird auf 8 Spuren ausgebaut; ist auch
wirklich dringend erforderlich. Die Einsicht in die Notwendigkeit des Ausbaus, ein
inzwischen durchaus angenehmes Klima im Auto und das Fehlen fester Termine im
Jessener Bezirk verhindern das Aufkommen irgendwelchen Stresses zumal Radio
Arabella einfühlsam die Hits der 80er Jahre aus der Bose Sound-Anlage tönen lässt.
Kein Baum, kein Strauch
In der Nürnberger Gegend zeigt das Thermometer eine Außentemperatur von 34"C
an; der Trip Rekorder meldet, dass ich seit zwei Stunden untenryegs bin und mein
Biorhythmus meldet zunehmend deutlicher, dass ein kleines Mittagsschläfchen nicht
schfecht wäre. Pustekuchen! lch steuere nacheinander vier Rastplätze an, aber
ausnahmslos und gnadenlos nur Bonsai-Bäumchen ohne jede Schattenspendung.
Allmählich werde ich ein gemeingefährlicher Verkehrsteilnehmer und bin deshaib
finster entschlossen, beim fünften Rastplatz zu rasten ,,no matter what"!
Und wahrhaftig, der Rastplatz verfügt über einen einzigen kleinen Baum zwischen
mir und der Sonne. Und - kaum zu glauben - der Mensch, der den Schatten bisher
ausgekostet hatte, verlässt den Logenplatz gerade dann, als ich anrolle. lch stehe
vor der Entscheidung: Motor laufen lassen und den kühlen Komfort zum Schlafen
genießen, oder ein anständiger Umweltschützer zu sein. Ich entscheide mich
schweren Herzens für die letztere Variante und wache nach 15 Minuten wieder auf,
weil es im Untertürkheimer inarischen mehr als 30' schwül-warm ist.
Unwetter voraus
lrgendwann fangen dann nicht nur bei Radio Arabella sondern sogar bei Antenne
Bayern die Rauscheinbrüche an; man ahnt, dass man in den neuen Bundesländern
angelangt ist und man beginnt mit schlechtem Gewissen (wegen der Ablenkung beim
Steuern des Wagens) den Suchlauf des Autoradios zu bemühen. SAW und alle
möglichen Varianten von MDR stehen zur Auswahl. lch finde zwar nicht meine
Lieblingsmusik, dafür höre ich aber von schweren Unwettern.
Mangels ausreichender Geographiekenntnisse kann ich die Schreckensmeldungen
nicht mit meiner vom Navi für mich vorgesehenen Fahrtroute korrelieren, aber mir
schwant Übles. Und ich täusche mich nicht Umgestürzte Bäume am Straßenrand,
große Aste auf der Straße, THW und Feuerwehren im Einsatz, die Straßen von
Blättern und Geäst überschüttet. Aber kein akutes Unwetter. Offensichtlich liegt das
alles schon einige Stunden zurück.
lrgendwann komme ich in der Nähe des verabredeten Gampingplatzes von Prettin
an. Trostlose Gegend; wer will denn hier seinen Urlaub verbringen? Da ist wirklich
nix von blühenden Landschaften zu sehen. Riesige Pfütze vor der Einfahrt. lch hebe
den Untertürkheimer um die maximal möglichen 2,5 cm - was für eine lächerliche
Differenz zur Normalsituation - und vertraue auf den 4-Radantrieb. lst aber nicht
nötig: Die Pfütze ist zwar riesig, aber absolut flach. 539 km Autofahrt liegen hinter mir
und vor mir die Befürchtung, die Nacht im Auto oder im lglu-Zelt auf dem
Campingplatz verbringen zu müssen. Keine wirklich prickelnde Situation!
Hinter der Pfütze wird es freundlicher und das nicht nur, weil mich Hartmut, DM5TI,
freundlich winkend begrüßt. er hätte eine Pension wenige Kilometer vom
Campingplatz entfemt gefunden: Ordentlich, preisgünstig, ideal! Und da wäre noch
was frei. Ein erster Anflug von Begeisterung stellt sich bei mir ein!
Wir lernen
Am Freitag sieht alles so aus, als wäre nix gewesen. Selbst die riesige Pfütze ist
weg. Niemand hindert mich daran, auf den Campingplatz zu fahren. Dort finde ich
eine große Wiese miften im Wald. Sehr schön! Diese Wiese ist schon ziemlich voll
geparkt mit Autos, Wohnmobilen, Wohnwagen und, ja wahrhaftig, auch mit Zelten.
lch finde gerade noch ein Plätzchen für mein in Rosenheim zugelassenes Auto und
einen Nachbarn, bei dem ich meine Kühlbox in die Mehrfachsteckdose stecken darf.
Es kann losgehen!
Paul und Andi
Paul, DLSCW, eröffnet den Reigen. Paul schwitzt, ich schwitze, alle schwitzen; es ist
einfach brutal schwü|. Da hilft auch mein mehrjähriges Training in den Tropen von
vor 45 Jahren nix.
Paul ist der Antennen Mastermind der WRTC 2018. Seine Aufgabe ist es, die
Antennenchefs der 15 Teams für die Tesftage in die Geheimnisse des Aufbaus des
Spiderbeams einzuweisen. Das ist auch dringend nötig: Das Konzept des
Spiderbeams ist zwar relativ simple, aber aus dem Konzept ein transportables
Leichtgewicht zu machen, das ist a) schon ziemlich genial und b) durchaus komplex.
Paul wird von DLSUSA unterstützt. Schnoddrig, kompetent, zupackend, liebenswert.
Andi und Paul haben beide neun Wochenendschichten bei Spiderbeam in den
Knochen, um die Beschreibung und die Markierungen fool proof zu machen und
kritische Teile vorzumontieren. Ohne Leute wie Paul und Andi wäre die WRTC nicht
zu stemmen! Von der Sorte Paul und Andi gibt es zwar nicht viele, aber doch efliche -
nicht nur auf der Waldlichtung am Campingplatz. Gibt mir ein gutes Gefühl, Teil
dieses Teams zu sein!
Die gemeine Rapsfliege
Weniger gute Gefühle durchströmen mich, als ich an mir runterschaue: lch hatte das
von meiner XYL verabscheute aber irgendwie ldentitäit stiftende grell orangefaöene
WRTC-CREW Hemd übergestülpt und hatte bis zu diesem Zeitpunkt keinä Ahnung
von der Existenz der gemeinen Rapsfliege. Jetzt sehe ich hunderte dieser Viechei
auf meinem CREW-Shirt. Diese Mistviecher sind so 1 bis 2 mm lang und
dementsprechend ist wenig Platz für Gehirn vorhanden. Anders als Ameisen oder
Bienen scheint die gemeine Rapsfliege über keine Kommunikationsmöglichkeit mit
Artgenossen zu verfügen; sonst hätte ja spätestens die hundertste RapJfliege ihren
Artgenossen signalisieren können, dass bei mir auf der Brust einfach nii zu hblen ist.
Ne, nix da: Bis in die Abendstunden bevölkerten die Biester meine Brust - und
wahrscheinlich auch meinen Rücken - zu tausenden. Und wie das Leben so spielt:
Genau in dem Beutel, in dem u.a. die 50er Sonnencreme verstaut war, befand sich
auch das Afrika-bewährte NoBite-Spray - im Hotel....
Probeaufbau Spiderbeam
Schwitzen ist einfach nicht mein Ding! lch schaue mich um und entdecke Tom,
DK2TG. Tom ist in meinem Team der Antennenchef. Tom macht einen sehr
interessierten Eindruck. Er kriecht förmlich in den Spiderbeam hinein, betrachtet alles
von allen Seiten, macht sich Notizen. lch entwickele ein Gefühl von Dankbarkeit
gegenüber Tom: Wenn der sich kümmert, kann ich mir eigentlich ein Plätzchen im
Schatten suchen. Tom ist einer dieser Typen, in deren Umfeld man sein möchte,
wenn es wirklich mal ernst werden sollte: Mutterwitz, Kompetenz, Freundlichkeit,
Souveränität!
Das Plätzchen im Schatten: Nicht so ganz einfach, wenn die Sonne Ende Juni quasi
senkrecht steht. lch finde eine Gruppe eingefleischter Spezialisten hinter einem
Wohnwagen, darf mich dazu setzen, obwohl ich mich mit deren Dialekt hart tue.
Schatten, super! Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Paul die Interessenten auf
zwei Spiderbeams verteilt hat. Prima ldee. Jetzt kriegt jeder mehr mit.
Es dauert rund 1,5 Stunden, bis der Mast einmal komplett ausgefahren, abgespannt
und wieder eingefahren wurde. Weitere knapp 2 Stunden wurden für den
Zusammenbau des Spiderbeams neben dem Mast gebraucht, wobei eine halbe
Stunde für die Befriedigung des ästhetischen Anspruchs drauf gingen. Schönheit vs.
Funktionalität: Natürlich funktioniert der Spiderbeam auch ohne jede Einschränkung,
wenn die vier Spreizer krumm und schief in der Gegend hängen, aber schaut dann
halt für Funkästheten etwas gewöhnungsbedürftig aus.
Und dann kommt natürlich der kritische Moment: Der Spiderbeam muss auf den
Mast gesetzt werden. Ging gut, verlangt aber offensichtlich doch etwas Mut, Kraft
und Standsicherheit auf den zwei Leitern. Die Hebelwirkungen sind halt enorm. Nach
einer weiteren halben Stunde schwebte der Spiderbeam in 14m Höhe und sah von
unten betrachtet ganz unschuldig aus. Toll: Ein Beam für 40m, 2Om, 15m und 10m,
wiegt nur wenige Kilogramm und arbeitet zumindest auf 10m mit 4 Elementen! Der
Alu-Schiebemast macht mit den jeweils drei Abspannungen in vier Abspannebenen
einen äußerst zuverlässigen Eindruck. Das sollte für Windstärke 12 reichen....
Uli, DJ2YA brachte seine Antennenmesstechnik in Stellung; 15m wurde um 2 x 5 cm
gekürzt, 40m um 4 x 10 cm und schon herrschte auf allen vier Bändern ein SWR,
äas den Einsatz irgendwelcher Antennentuner überflüssig machte. Da kommt doch
wirklich Freude auf!
Nach weiteren 1,5 Stunden war alles wieder abgebaut und sauber auf den Haspeln
und in den Kartons verstaut.
uff .. ..
Das Aggregat
WRTC 2018 e.V. ist nicht der Verein irgendwelcher Kompromisse und schon gar
nicht irgendwelcher faulen Kompromisse. Natürlich kann man im Baumarkt 2 KVA
Aggregäte für 200 bis 300 Euro kaufen. Und die funktionieren auch und sogar
ziemlich zuverlässig, aber....
Für uns musste ein EU-20i her. Das ist so ungefähr der Rolls-Royce unter den
Aggregaten, nur besser und zuverlässiger! Und fünfmal so teuer wie das Aggregat
aus dem Baumarkt. Aber was die Geräuschentwicklung angeht, nimmt er es mit dem
Rolls auf, bei dem ja bekanntlich das Ticken der Analoguhr der größte akustische
Störfaktor ist.
Hartmut, DMST!, erklärte uns das Aggregat. Das Schöne ist, es gibt eigentlich nix zu
erklären, denn alles läuft narrensicher, automatisch und von selber. Interessant
allerdings der Schalter, der die Drehzahl des Aggregats deutlich absenkt und daher
für den Teillastbetrieb vorgesehen ist.
Wir haben das Aggregat während des eigentlichen Tests am Samstag/Sonntag
insgesamt 21 Stunden im Teillastbetrieb laufen lassen. Versorgt wurden: Der
Kühlschrank des Wohnmobils, meine Kühlbox, der K3, das Notebook, die
Zeltbeleuchtung und diverse Handyaufladungen etc. Während der 2l Stunden haben
wir insgesamt 10 Liter Benzin eingefüllt, aber ich vermute, dass zum Schluss noch
ungefähr 2 Liter im Tank waren. Weniger als 0,5 Liter pro Stunde. Ein wirklich
eindrucksvoller Wert!
Die Nachfülleinrichtung
Das tollste war aber nicht das Aggregat selber, sondern wieder der WRTC e.V. lch
komme persönlich auf mehr als 50 Fielddayeinsätze im Laufe meines AFU-Lebens.
Noch nie habe ich einen Generator angehalten, um ihn nachzufüllen und - zu meiner
Schande sei's gesagt - noch nie stand einer der von mir betreuten Generatoren in
einer Bodenwanne. Na ja, zum Glück leide ich noch nicht unter Parkinson.
Nicht so beim WRTC 2018 e.V. Da gab es zunächst mal eine geräumige
Bodenwanne, die getrost Platz für 10 Liter Benzin bietet, damit irgendwelche
Benzinspritzer beim Nachfüllen nicht auf die Wiese gelangen können.
Aber dann kam der Clou, nämlich die Nachfülleinrichtung. Donnenrvetter! lch habe
schon viel gesehen im Laufe eines längeren Lebens. Aber das Ding ist wirklich stark!
Laut Hartmut fasst der Tank des EU 20i 34 Liter. Hartmut neigt nicht zu)
Übertreibungen. lch vermute mal, dass der Tank im echten Leben 5 bis 6 Liter fasst;
zumindest konnte ich rund die Hälfte unseres 10 Liter Reservekanisters in den Tank
des Aggregats schütten, als dieser nach 15 Minuten Einsatz wegen Benzinmangel
stehen blieb. Na klar, WRTC 2018 e.V. befördert keine vollgetankten Aggregate.
Hätte ich mir eigentlich denken können.
Egal. Die Nachfülleinrichtung ist wirklich stark! Das ist ein Plastikkanister von 5 bis 7
Liter Volumen, der mit einem kleinen transparenten Schlauch von vielleicht 50 cm
Länge mit dem Tankeinfüllstutzen des EU 20 i verbunden ist. Der Plastikkanister
kann links, rechts, oberhalb oder unterhalb des Aggregats stehen. Völlig egal. Das
Zauberwort heißt Unterdruck! Mit anderen Worten: Der Tankverschluss des
Aggregats muss luftdicht sein, der Tankverschluss des Reservekanisters muss
dagegen luftdurchlässig sein. Und wenn das so ist, dann saugt sich das Aggregat
die 5 bis 7 Liter aus dem Reservekanister und muss nach aller Wahrscheinlichkeit
nicht ein einziges Mal während der 24 Stunden Contest nachgefüllt werden. Das ist
wirklich stark und typisch dafür, was sich WRTC 2018 e.V. einfallen lässt und bereit
ist zu finanzieren, um den Wettbewerbern und den späteren Käufern von
Stationspaketen Infrastruktur und Technik vom Allerfeinsten zu bieten
Gerne hätte ich das mit der Nachfülleinrichtung unter realen Einsatzbedingungen
ausprobiert, aber WRTC 2018 e.V. wäre nicht WRTC 2018 e.V. wenn da mit dem
Bestellwesen und der Lieferantenauswahl alles problemlos funktionierte: Zu den
Testtagen gab es halt nur eine oder einige wenige Nachfülleinrichtungen. Wir
kriegten bei JES-039 keine ab. Macht ja nix, denn seit 50 Jahren fülle ich......
Das Grillfest, die politische Diskussion und die Fahrt in die lrre
Am Ende eines harten Tages war Grillfest angesagt. Etwas verunsichert, wie denn
der Abend so verlaufen könnte, hatte ich mir zur Vorsicht zwei ,,anständige" Filets
aus München mitgebracht. Absolut falsche Entscheidung: Die angebotenen Würste
und die Halsgratstücke waren super und meine Filetstücke zu dick: Nach 30 Minuten
auf dem etwas schwächlichen Rost waren die innen immer noch roh. Und was noch
schlimmer war: Die mitgebrachten Messer waren angesichts des rohen Zustandes
meines Filetstücks viel zu stumpf. lch musste ein Gemetzel am toten Stück Fleisch
veranstalten, was DJ6DC dazu veranlasste, mir aus reinem Mitleid seinen
Hirschfänger zu reichen. Der war so scharf, man glaubt's einfach nicht!
Und was noch härter war: Das Bier war ,,LKW-warm". Hat aber auch seine Vorteile:
Man trinkt einfach nicht so viel.
Sowieso schon leicht angefrustet, ließ ich mich auch noch in eine politische
Diskussion hineinziehen. lch weiß ja, dass es völlig sinnlos ist, eingefleischte
Pazifisten von der Notwendigkeit einer Bundeswehr zu überzeugen und dass es
mindestens ebenso sinnlos ist, gegen absurde Vorstellungen, wie denn die Welt so
funktioniert, anzudiskutieren. lch weiß es, aber immer wieder geht das Temperament
mit mir durch und ich lasse mich auf derartige Diskussionen ein. Einfach dumm!
lch beschloss, aus dem Abend noch irgendetwas zu machen und lud meinen
pofitischen Kontrahenten ein, mit mir doch den von uns am nächsten Tag zu
besetzenden Standort mal kurz aufuusuchen. Nach 50 km sinnloser Fahrt in die lrre,
führte auch dieser Plan nicht zur Hebung meiner Stimmung. Wie sollte das nur weiter
gehen? Ein missgelaunter Site Manager, das geht doch nun gar nicht!
Es geht los
Freitagmorgen. lch starte um 9 Uhr. Die Anlieferung des Materials war für zwischen
10 und 11 angekündigt. Aus übergeordneten Gründen hielt ich es für richtig, als
erster am Site zu sein. lmmerhin ist man Site Manager. Mein Auto-Navi zeigt rund 35
km an; das neu beschaffte Fahrrad Navi, das ich zufällig - und zum Glück - dabei
hatte, vermutet 23 km. Erstaunlich! Nach 10 Minuten trennen sich die Wege von
Auto-Navi und Fahrad-Navi. lch entschließe mich zugunsten des Fahnad-Navis, das
weniger als 10% des Auto-Navis gekostet hat. Einfach mal so aus Trotz und um es
dem teuren Auto-Navi zu zeigen.
Was ich nicht wusste: Das Auto-Navi zeigt nur Wege an, die auch befahren werden
dürfen, das Fahrrad-Navi ist da weniger zimperlich; und mich haben Verkehrsschilder
sowieso nur ganz selten zu konkretem Handeln animiert. Der große Vorteil des
Fahnad-Navi: Man kann Koordinaten in allen möglichen Varianten direkt eingeben.
Das geht bei meinem Auto-Navi nicht. Die Mercedes-Leute kennen halt ihre Klientel
und können sich wohl nicht vorstellen, dass da irgendeiner ihrer Kunden irgendetwas
mit Koordinaten anfangen kann bzw. ein Ziel ansteuern will, das ausschließlich durch
Koordinaten definiert ist, denn Straßennamen gibt es in der Gegend von JES-039
nicht.
JES-039
Also tatsächlich, nach 23 km lande ich an einem riesigen Fetd "in the middle of
nowhere". Aber asphaltierte Sträßlein. Die letzten Meter waren "auf Sicht" leicht zu
schaffen, denn da lag ein umgekipptes DlXl-Klo auf der Wiese: JES-039 here we
come!
lch fahre auf das Feld, steige aus und genieße die Atmosphäre: Völlig alleine, we1
und breit kein Mensch, ein Feld von ca 1 km mal 500m Größe und soweit man
schauen kann, keinerlei menschliche Behausung und ein kräftiger, henlich kühlender
Wind. lch erinnere mich an unvergessene Klettertouren und Lagerfeuerromantik. lch
bin begeistert und beschließe, die Testtage einfach nur noch tollzu finden.
Kaum hatte sich die erste Begeisterung gelegt, beginne ich, das Feld mit allen
möglichen Utensilien abzustecken: Hier das Stationszelt, dort der Mast, weit weg der
Generator, irgendwo der Wohnanhänger und natürlich die drei Abspannpunktä für
den Mast.
Sehr zu meiner Freude ist Tom, unser Antennenchef, mit meiner Markierung des
Antennenfeldes einverstanden und auch Evelin und Falk finden den für ihren
Wohnanhänger vorgesehenen Platz an der Hecke akzeptabel. lst doch immer gut,
wenn es nicht schon zu Anfang einer Zusammenarbeit kontroverse Diskussionen
gibt.
Andi, der Theaterregisseur
Jetzt taucht Andi auf - auf dem Fahrrad - mitsamt Zelt, lsomatte, Kaffeekocher und
vielen anderen Ausrüstungsgegenständen. Andi ist Theaterregisseur. Endlich mal
eine Chance, meinen Unmut darüber los zu werden, dass man heutzutage Schillers
Räuber und Shakespeare Romeo und Julia und Lessings Nathan den Weisen und
andere Klassiker nicht mehr zu Gesicht bekommt. Andi schaut mich eine Weile lang
prüfend an: ,,Doch, die gibt's auch heute noch, aber - lange Pause - sie würden Dir
nicht gefallen'. Donnerwetter, der Mann hat Menschenkenntnisse. Schlaglichtartig
fällt mir ein, wie ich in München vor Jahren eine Aufführung von Romeo und Julia
verlassen habe, als Romeo seiner Julia einen Topf voll Nudeln über den Kopf stülpte.
Muss das sein?
Ulf, der Aufpasser
Jetzt sind wir eigentlich komplett: 5 Namen stehen auf der Teamliste für JES 039.
Eigentlich eher etwas knapp, denn man braucht zwei Mann - und da meine ich
wirklich Männer -, uffi den Spiderbeam auf den Mast zu hieven und je einen Mann an
jedem der drei Bodenanker für die Mastabspannung.
Aber unser Glücksfaden reißt nicht ab: Ulf, DLSAXX, taucht auf. ,,Hauptberuflich" ist
er für die Qualifikation der Wettbewerber für die WRTC 2018 zuständig. lch habe
Chris und Micha, meine beiden Chefs, allerdings im leisen Verdacht, dass Ulf dafür
ausersehen wurde, auf mich aufzupassen. lch gelte als hemdsärmelig - um es mal
charmant auszudrücken - was in gewissen Situationen durchaus hilfreich sein kann,
meist aber eher unpassend ist.
Ulf ist eine hoch willkommene Verstärkung unseres Teams. lch bin mir sicher, dass
jetzt eigentlich nix mehr schiefgehen kann.
Falk und Evelin und der Wohnwagen
War ja klar, dass unser Team nicht über die volle Distanz gehen würde, was den
Funkverkehr angeht. Also war wichtig, dass jemand toujours anwesend ist, um
Vandalismus und Langfinger-Unwesen vorzubeugen. Wenn ich mir so dies herrliche
Feld und seine Umgebung anschaue, kann ich mir zwar nicht vorstellen, dass da
irgendjemand auftaucht, der.... Aber, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. lch
bin mächtig erleichtert, als mir Falk und Evelin am verunglückten Grillabend in Prettin
zusagen, sich und ihren Wohnwagen in JES-039 zu stationieren. Sie blieben aber
nicht alleine: Tom, unser Antennenchef schleppte seine Überlebensausrüstung in
das riesige Stationszelt, um dort auf dem tollen Parkettboden zu übernachten, unser
Theaterregisseur schlief neben seinem Fahrrad im kleinen Zelt.
Vier Mann vor Ort, das ist doch prima. Da konnte ich für die Nacht doch die 23 km
zurück ins Hotel. Ne, Fahnenflucht war das nicht, aber so richtig zufrieden war ich mit
mir auch nicht.
Evelin war einer unserer Anchor-Persönlichkeiten: Sie betete das Handbuch für den
Aufbau des Mastes und des Spiderbeams herunter, was angesichts des sehr starken
Windes nicht einfach, aber durchaus hilfreich war. Und als nach ihrer Einschätzung
nix mehr schiefgehen konnte, verschwand sie im Wohnwagen und öffnete einige
ihrer fünf Eintopfdosen. Einziges Problem: Wir brachten es zusammen auf nur drei
Esslöffel und vier Schalen, waren aber sechs hungrige Leute.
Die Presse und die Prominenz
Gerade hatte ich die ersten arvei Löffel von Evelines Eintopf genossen, tauchte der
Reporter der MZ auf. Netter Bursche und nicht unerfahren. Er hatte schon letztes
Jahr über den ersten Testtag berichtet. lch versuche mich zum x,ten Mal an der
Aufgabe, die Faszination von l(\ff-Amateurfunk angesichts von SmartPhones und
Internet an Außenstehende zu vermitteln. Verdammt schwieriges Unterfangen!
Wie das Leben so spielt: Kaum schwebte der Spiderbeam völlig unangefochten vom
kräftig auffrischenden Wind in 14m Höhe, brach die Prominenz über uns herein: Ben,
DLORAI, Chris, DLl MGB, Micha, DL6MHW, Uwe, DLSOBF, Uli, DJ2YA, Andy,
DK4WA, Peter, DB6JG, Manfred, DK2oy, Frank DM5WF (er ist für die os
Wettkampfplätze verantwortlich), Axel, DL6KVA (er ist für das Heer der Helfer, also
auch für mich, zuständig), Robby, DM6DX (er koordiniert die Fahrer der 4
Transporter und 15 Test Sites) - um nur einige wenige zu nennen - tauchten auf.
Auch wenn keiner von denen auch nur eine einzige Flasche Bier mitbrachte, das
Zusammentreffen_drohte in Partystimmung umzukippen. lch sah mich gezwungen,
den Andrang der Prominenz in Richtung Feldrand abzudrängen, damit wii Oie letzten
Arbeiten noch ordentlich erledigen konnten.
Funken
Eigentlich standen ja die Organisation und die Logistik im Vordergrund; aber
natürlich sollte auch etwas gefunkt werden. Wir hatten ungefähr 4,5 Stunden für den
Mast- und Antennenbau sowie die Verkabelung der Station gebraucht. Kein
schlechter Wert. So ab 17:30 griff Evelin dann ins Contestgeschehen ein. Einzige
Gelegenheit dazu bot sich durch den King of Spain Contest, der einem nicht
unbedingt das letzte abfordert. Insgesamt kamen wir auf ca. 150 QSOs, davon ein
schöner Run auf 80m - allerdings mit deutschen Stationen, die sich über unseren
Sonder-DOK WTT 11 freuten.
Rückblick
Es war ein sehr erlebnisreiches, schönes Wochenende. In die Vorbereitung wurde
enorm viel Arbeit gesteckt und das mit großem Erfolg. Bis auf ein paar Kleinigkeiten
klappte alles vorzüglich. Die technische Ausnistung ist hervorragend und lässt keine
Wünsche offen. Selbst an Arbeitshelme, den berühmten Klappspaten (trotz DlXlKlos),
desinfizierende Handwaschpaste Arbeitshandschuhe, erste Hilfe Box, eine
Rolle Klopapier usw. wurde gedacht.
Das größte und schwerste Einzelteil war zweifellos das ,,Zeltparkett", das für eine
ebene und bequem sauber zu haltende glatte Fläche im Zelt sorgte. DBOJG hatte
hier ganze Arbeit geleistet. Das Ding war so monströs groß und schwer, dass man
vier sehr starke Männer oder sechs Normalmänner brauchte, um es irgendwie ins
Zelt zu hieven. Dafür wackelte dann aber auch kein Tisch und kein Stuhl und selbst
der teilweise sehr starke Wind hatte nicht den Anflug einer Chance, das Zelt zu
verwehen.
f ch geb's ja zu, ich bin mit einem leicht skeptischen Bauchgrimmen hingefahren und
karnzurück als jemand, der überzeugt ist, dass wir es in 2018 schaffen werden, den
Wettkampfteilnehmern aus aller Welt eine absolut erstklassige Infrastruktur zur
Verfügung zu stellen. Wird für unsere Nachfolger schwierig werden, das noch einmal
zu toppen! Die Messlatte liegt verdammt hoch!
Wenn ich nicht schon so alt wäre, würde ich mich nach den Erlebnissen anl. der
Testtage ja sofort auf die Liste der Interessenten für den Erwerb eines
Stationlpakets setzen lassen. Alter hin oder her, egal, wofür mich Chris oder Micha
oder Axel nächstes Jahr einsetzen wollen, ich werde mit Vergnügen zur Verfügung
stehen. Selbst die Aufgabe, pro Site zusammen mit Frank ein DlXl-Klo zu
organisieren, war ein großer SPaß!
WRTC-Testtage: Ein bunter Blumenstrauß von Eindrücken und Erlebnissen, den ich
wirklich nicht hissen möchte. Wie soll das erst nächstes Jahr werden, wenn die
weltweite Contestprominenz voller Erwartungen mit ihrer Entourage bei uns
aufschlägt?
lch freue mich drauf und werde dabei sein!
Rudi, DJ3WE